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#4 Ich wünschte, ihr hättet mir gesagt,... | Babyblues

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Ich wünschte, ihr hättet mir gesagt...
in dieser Blogserie überlasse ich euch, meinen Lesern, das Wort rund um kritische, diskussionswürdige Tabuthemen rund um Schwangerschaft und Muttersein. Es gibt so viele Themen, die tot geschwiegen werden, die man sich nur anonym anzusprechen traut, die aber so viele von uns tagtäglich bewegen. Zeit also, eine Plattform zu schaffen, um sich (anonym) auszutauschen, Erfahrungen zu teilen, Mut zu machen, zu stärken und als Community zu wachsen. In jedem dieser Beiträge sammle ich mir zugesendete Statements echter Frauen, die mutig genug sind, ihre Geschichten hier zu teilen. Falls euch auch ein Thema auf dem Herz liegt, ihr Teil des Ganzen werden wollt oder einfach nur das Bedürfnis habt, auch eure Geschichte zu teilen, macht das gerne in den Kommentaren - ich würde mich riesig darüber freuen!

Ich wünschte, ihr hättet mir gesagt, dass Babyblues wirklich existiert.

Die Geburt meines Sohnes war im Februar. Spontan und ohne Probleme. Das Gefühl danach, das eigene Kind im Arm zu halten, war einfach unglaublich. Kein schöneres Gefühl der Welt habe ich bis zu diesem Zeitpunkt erlebt. Die ersten drei Tage im Krankenhaus waren noch schön. Ich war einfach sooo stolz. Die ersten zwei Tage Zuhause war das auch noch so. Ab dem dritten Tag war alles anders.
Ich hatte zwar vom "Babyblues" gehört, aber wusste nicht, dass er SO ist. Es ging ganze zehn Tage lang.
In den ersten Tage kam die Hebamme täglich vorbei. Da war alles noch super. Obwohl wir keine Probleme hatten, ob stillen oder Zunahme des Kleinen, alles war super. Ich war trotzdem immer froh, dass sie da war und wollte, dass sie gar nicht mehr geht.
Dann ging es los. Täglich gegen 15-16Uhr. Ich fühlte mich so nutzlos, so schlecht. Ich hatte das Gefühl, alles falsch zu machen. Meinem Sohn nicht die Liebe geben zu können, die er verdient. Ich weinte, viel...grundlos. Ich wusste selber, dass es keinen Grund gibt zu weinen, aber ich konnte nicht aufhören. Immer wenn ich die Stimme meiner 400km entfernten Mutter am Telefon hörte, weinte ich einfach nur bitterlich. FaceTime mit meiner Schwester war unmöglich, ohne zu weinen. Bekam ich Besuch von den Schwiegereltern war alles "okay". Ich konnte es überspielen, es war, als wäre nichts.
Aber sobald mein Mann von der Arbeit kam, fiel ich ihm weinend in die Arme. Täglich.
Er hatte zum Glück davon gehört und wusste, was ich hatte, war sehr einfühlsam. Ohne seine Unterstützung wäre es noch länger so gegangen. Er überredete mich, mit meiner Hebamme zu reden. Sie kannte es natürlich und half mir sehr, sprach viel mit mir, erklärte, woher dieser Blues kam. Ich konnte also nichts tun, außer warten.
So richtig besser wurde es erst nach einer Woche, als meine Eltern über das ganze Wochenende zu Besuch waren und das Haus sich füllte. Das tat sehr gut.
Das Schlimmste war eigentlich, täglich mehrere Stunden allein zu sein. Das hatte alles verschlimmert. Sobald jemand mit mir im Haus war, war es erträglich. Ich war so erleichtert, als der Babyblues nach zehn Tagen plötzlich von ganz allein verschwand und ich endlich das kleine Wunder verwöhnen und bedingungslos lieben konnte.

Ich wünschte, ihr hättet mir gesagt, wie schwer es ist, sein Kind und die neue Mutterrolle zu akzeptieren.

Damals war ich 16 Jahre alt, als ich mehr als unerwartet schwanger wurde und sich vor mir ein neuer Lebensabschnitt breit machte. Dieser neue Abschnitt stellte mich vor die für mich härteste Zeit meines jungen Lebens. So gesehen begann mein Babyblues im eigentlichen Sinne schon vor der Geburt, noch während der Schwangerschaft. In mir wuchs ein Lebewesen heran, das war mir klar. Was mir nicht klar war, war dass es MEIN Kind ist.
Am Tag der Geburt, als ich dieses kleine, zarte Mädchen in den Arm gelegt bekommen habe, ich hielt sie fest und sah sie an. Ich sah sie an und in meinem Kopf schwirrte folgender Gedanke: „Jetzt bist du Mama. OK.“ Auch in diesem Moment, war sie noch nicht MEINE Tochter. Ich wuchs zwischen all dem Wirbel in meine Rolle. Während ich von der gesamten Station für jung, dumm und naiv gehalten wurde, erhielt ich von der Kinderkrankenschwester meine Einweisung in das Anziehen von Babys, Wickeln etc. Als dachten sie, ich sei ein Kleinkind, dem man alles Schritt für Schritt in sehr langsam und deutlich gesprochener Sprache erklären muss. So fühlte es sich an. Ich wurde nicht ernst genommen, sondern nur komisch angesehen. Also war ich froh, als ich die Klinik verlassen durfte und zu Hause war. Dort war ich ungestört vor Blicken und Getuschel.
Ich war zu Hause mit meinem Kind und meinem damaligen Freund. Ich wuchs also in meine Rolle als Mutter. Ich kümmerte mich um den Haushalt und um das Kind. Ich gab mein Bestes, aber ich wurde mit der Situation nicht richtig vertraut. Ich wusste zwar was zu tun ist, dennoch fehlte das gewisse etwas. Es war nicht das idyllische Kennenlernen zwischen Mutter und Kind in den ersten Wochen, sondern vielmehr ein abarbeiten einer täglichen ToDO-Liste. So hart es klingen mag, aber so war es damals für mich. Sobald ich das Haus verließ, wurde es für mich noch schlimmer. Da waren überall diese Blicke und das Getuschel. Keiner nahm mich ernst, egal ob es die Menschen waren, die ich beim Einkaufen getroffen habe oder der Kinderarzt. Es zog mich so herunter, dass ich das Haus quasi nicht mehr allein verließ und mich zurückzog. Ich stand zwischen den Stühlen. Da war meine alte Persönlichkeit, die am Boden lag und nicht so recht wusste wer sie ist. Da war ich mit einem Kind und völliger Hilflosigkeit. Und da war dieser winzige Funken Wille.
Ich habe diese Zeit über ertragen und bin gewachsen. Ich musste lernen, wer in meinem sozialen Umfeld einen Platz hat, wer mich ernst nimmt, so wie ich bin. Eine junge Mutter. Es mussten Dinge wie Schule und Ausbildung geregelt werden, dies gestaltet sich gar nicht so leicht. Immer wieder musste ich mich erklären und als dumm hinstellen lassen, wie kann man denn auch mit 16 Jahren schwanger werden? Oftmals kamen nur Absagen. Ich kämpfte um meine Persönlichkeit, ich half ihr wieder auf die Beine und baute um mich herum eine Schutzmauer. Ich wehrte mich gegen all die Blicke, Kommentare und ach so klugen Ratschlägen. Ich ignorierte all das und versuchte nch und nach für mich einen Weg zu finden. Mit der Unterstützung meiner Mama gelang mir das Schritt für Schritt.Und das wichtigste, ich schaffte es nach einem Jahr voller Tiefpunkten mich als Mutter zu akzeptieren und mein Kind als MEINE Tochter. Es war ein langer Weg, den ich wieder gehen würde. Das Ergebnis bin ich, eine junge Mutter, die wie eine Löwenmama hinter ihrer Tochter steht und auch zurückbrüllen kann. Die mit erhobenen Haupt voller Stolz Hand in Hand mit ihrem Mädchen durch die Welt läuft.

Ich wünschte, ihr hättet mir gesagt, dass man sein Kind anfangs nicht lieben kann.

 Das 1. Mal schwanger. Was für ein Gefühl. Vorstellungen, wie man das Kind schlafend in Wiege oder Bettchen legt und daneben stehen bleibt, überschäumend vor Glück. Locker Haushalt, Beauty (und damit meine ich lediglich duschen, Haare machen und ein wenig Schminken), eventuell Studium oder Sonstiges nebenbei schafft, weil Baby ja bestimmt mal liegen bleibt und zur Not macht man das eben alles, wenn das Baby schläft. Die schlafen anfangs ja sowieso nur.
Das entsprach der Einstellung, die ich hatte. Und die Realität traf mich knallhart. Leider!

Zuhause angekommen. Das reinste Chaos. Ich merkte schnell, dass ich kein Mitgefühl hatte, sobald er meckerte und schrie. Ich wusste, ich muss ihn füttern, wickeln und umsorgen. Am liebsten hätte ich mich aber in eine andere Ecke des Raumes verkrümelt und mir die Ohren zugehalten. Warum ärgert er mich so? Warum kann ich nicht mal in Ruhe eine einzige Tasse Kaffee am Morgen trinken, wenn ich in der Nacht schon so wenig Schlaf bekomme? Kolik - Schreikind bekam ich von der Ärztin gesagt. Und nun?
Ich merkte, wie ich nichts mehr "auf die Reihe bekam". Und gab ihm die Schul daran. Warum habe ich nicht so ein Kind, welches den ganzen Tag schläft? Natürlich in der Nacht auch durchschläft? Meine Hebamme war leider auch keine große Hilfe. Familie und Verwandte sagte, da müsse man durch oder eben er, in Bezug auf das Schreien lassen. Nur das wollte ich auch nicht. Je mehr Leute mir rieten, dass ich ihn Schreien lassen soll, umso mehr überkam mich das Gefühl, für ihn da sein zu müssen. Erst als ich einen völligen Nervenzusammenbruch bei seiner Kinderärztin bekam, riet sie mir zum Osteopathen. Gut, dachte ich, einen Versuch ist es wert. Seitdem ging es aufwärts. Das war ca. im 7. Lebensmonat. Mir half es, direkt darüber zu sprechen. Eine gute Freundin im Orte, deren Tochter sechs Wochen älter ist, half mir meine Zeit mit ihm zu gestalten und Gefühle zu entwickeln. Aus heutiger Sicht kann ich es nur bereuen, auch wenn ich nichts dafür konnte. Heute kann ich es mir nicht erklären, ihm an allem die Schuld gegeben zu haben für das, was bei mir schieflief und ihn somit nicht lieben zu können.

In solchen Situationen bedarf es viel reden. Nur leider denkt man, dass man völlig allein dasteht und einen sowieso niemand versteht. Alle anderen erleben das perfekte Muttersein, lieben ihr Kind über alles und schaffen nebenei alles spielend leicht. Letztens sprach ich mit meiner Frauenärztin darüber. Eine Schwester nahm sich Zeit, um sich meine aktuellen Ängste um ihn anzuhören. Sie sagte, dies sei auch eine Form des Blues. Nur habe er sich umgewandelt und lege sich bald. So war es auch. 

Am Wichtigsten ist es wirklich, darüber zu reden. 

Ich wünschte, ihr hättet mir gesagt, wie hilflos, wie gleichgültig der Babyblues machen kann, wie sehr ich das Gefühl bekam, mich und mein Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben

Kurz nach der Geburt. Mein Zustand schien sich einfach nicht zu bessern. Mir war schwindelig, sobald ich das Bett verließ, ich konnte nicht allein auf Toilette, hatte keinen Appetit, kein Hungergefühl und mein Kind brüllte nur noch an der Brust. Und dann kam der berühmte dritte Tag. Der Tag, an dem der lang ersehnte Milcheinschuss kommen sollte und wir Heim gehen durften. Ich heulte und heulte und heulte und packte nebenbei unsere Sachen. Warum ich geheult habe? Weil wir das Krankenhaus verlassen mussten und die ersten paar Tage schon vorbei waren, weil ich an die Schwangerschaft dachte und nicht sicher war, ob ich das noch einmal erleben dürfte. Weil unser Kind so wunderschön war, weil ich mich auf Zuhause freute, weil ich Angst hatte, nicht gut genug zu sein. Kurz gesagt: ich heulte wegen allem. 

Zuhause bekam ich mein Kind nicht an die Brust. Sie schrie und schrie und schrie. Mir war alles zu viel. Mir fehlte die Kraft. Panik machte sich breit, weil sie einfach nicht stillen wollte. Immer wenn ich zur Ruhe kommen wollte, schoss die Milch ein, ich wachte nach fünf Minuten schweißgebadet auf und litt unter ständigen Angstzuständen. Ich war schlicht von vorn bis hinten mit der Situation überfordert und das, obwohl ich Unterstützung durch die Familie hatte.

Nach wenigen Tagen wurde mir mein Zustand bewusst. Ich war taub, bekam kaum noch was um mich herum mit, wollte vor allem und vor jedem meine Ruhe, auch vor meinem Kind. Ich hatte das Gefühl, mich nicht mehr im Griff zu haben, die Kontrolle über mein Leben verloren zu haben. Während meine Mutter und mein Freund sich um die Kleine kümmerten, war ich vollkommen in mich gekehrt. Ich fühlte mich leer, verändert, hoffnungslos. Wo war meine Lebensfreude? Das Mutterglück? Das war kein typischer Babyblues. Die Zeit der Tränen war lange vorbei. Vielmehr überkam mich eine gewisse Gleichgültigkeit. Mir gegenüber. Meinem neuen Leben gegenüber, ja sogar meinem Kind gegenüber.  Ich hatte ständig Angst, die Gegenwart zu verpassen, zu wenig zu genießen, machte mir Vorwürfe, versuchte mich zu meiner Mutterrolle zu zwingen. Hatte das Gefühl, in ein tiefes Loch zu rutschen und dort nie mehr rauszukommen.

Mein Baby wollte nicht an die Brust und je stärker ich es probierte, desto weniger klappte es. Sie schrie und schrie, ich pumpte und fütterte Muttermilch in der Flasche, die sie besser annahm. Nach 10 Tagen stillte ich ab und es kam ganz schnell kein Tropfen Milch mehr. Und ab da war es weg. Komplett verschwunden!!! Ich konnte endlich wieder essen. Fühlte ich mich vorher krank, schlapp, ausgelaugt und müde, war das jetzt völlig verschwunden. Meine Bindung wurde viel stärker, ich wollte sie keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, fühlte mich wohl in meiner Haut und fing an, den Tag wieder zu organisieren. Auf Instagram folgte ich zahlreichen Langzeitstillmamas und wollte das unbedingt auch für uns. Flasche war keine Option. Es gab keinen Plan B außer dem Stillen, keine Alternative für mich. Am Ende war es vermutlich genau das. Dieser selbst auferlegte Druck, unbedingt stillen zu müssen. Es bedeutete eine absolute Stresssituation für uns beide. Ich weiß nicht, woher diese Gefühle kamen, aber als keine Milch mehr kam, verschwand all die Negativität. Meine Frauenärztin erklärte mir dann, dass es sowas geben soll, dass Frauen manchmal statt positiver Hormone, negative ausschütten.
Für mich ist es heute noch schwer. Weil ich nach wie vor der Ansicht bin, dass uns die Natur zum Stillen geschaffen hat. Mache mir manchmal Vorwürfe, es nicht doch weiter durchgezogen zu haben. Das Stillen hat mich und mein Kind nicht zusammen gebracht, sondern voneinander entfernt. 

Bei mir ging der typische Babyblues in einen Zustand der Hilflosigkeit über. Anteilnahmslos, leer, ohne Gefühle, gleichgültig, unzufrieden und zutiefst unglücklich. 


Die vergangenen Beiträge findet ihr gesammelt hier:

#1 Frühgeburten
#2 Einsamkeit und veränderte Freundschaften
#3 Unerfüllter Kinderwunsch


Habt ihr denn ähnliche Erfahrungen bezüglich des Babyblues gemacht? Ist es ein Phänomen, das ihr selbst kennen lernen musstet - ob nun in starker oder schwächerer Form - oder habt ihr bisher davon nur aus den Lehrbüchern gehört?




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